15.04.2015. Der ORF hat im Zeitraum Januar 2011 bis August 2011 den Programmauftrag verletzt, weil die Anteile von Unterhaltung, Information, Kultur und Sport im Gesamtprogramm nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander gestanden sind.

Dadurch hat der ORF kein differenziertes Gesamtprogramm von Information, Kultur, Unterhaltung und Sport gezeigt. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner heute veröffentlichten Entscheidung rechtskräftig bestätigt.

Der VwGH kommt zu dem Ergebnis, dass der Anteil an Unterhaltung mit 52% 18 mal (!) so hoch war wie der Anteil an Kultur mit 3%. In der ausführlich begründeten Entscheidung hat der VwGH die Argumente des ORF und auch den vom ORF – mit zum Teil recht abwegigen Überlegungen argumentierten – „weiten Kulturbegriff“ verworfen. Die vom VÖP im Jahr 2011 eingebrachte Beschwerde war daher in ihrem zentralen Punkt im Ergebnis erfolgreich.

Klaus Schweighofer, Vorstandsvorsitzender des VÖP und Vorstand der Styria Media Group: „Mit der Entscheidung des VwGH ist nun klargestellt, dass der ORF in dem von uns angezeigten Zeitraum kein ausgewogenes Gesamtprogramm auf seinen TV-Sendern gezeigt hat. Damit hat er gegen eines der Grundprinzipien des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags verstoßen. Diese Klarstellung durch den VwGH ist wichtig, da die von der KommAustria festgelegten quantitativen Grenzen der Anteile der einzelnen Programmbestandteile auch für die Zukunft verbindlich sind. Ihre Einhaltung kann von der KommAustria überprüft werden kann.“

Nicht bestätigt hat der VwGH die von der KommAustria festgestellt Rechtsverletzung, dass auch die (Voll)programme ORFeins und ORF 2 nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprochen haben, weil die festgestellte unterschiedliche Gewichtung nicht mehr den Anforderungen an ein Vollprogramm genügt hat. Der VwGH steht demgegenüber auf dem Standpunkt, dass das ORF-Gesetz keine Definition von Vollprogramm enthält und dies daher kein isoliertes Kriterium ist und schließt sich damit der auch von der (früheren) Berufungsbehörde Bundeskommunikationssenat vertretenen Ansicht an.

Allerdings geht auch der VwGH davon aus, „dass das ORF-G den in § 3 Abs 1 Z 2 ORF-G genannten Fernsehprogrammen (ORFeins und ORF 2) die Spartenprogramme gegenüberstellt und damit eine Unterscheidung vornimmt, die jener zwischen Voll- und Spartenprogrammen nach dem AMD-G ähnlich ist“, zumal (…) die Schaffung von Spartenprogrammen nicht dazu führen (dürfe), dass die solcherart übertragenen Aufträge im Rahmen der „Vollprogramme gemäß § 3 Abs 1 ORF-G“ nicht mehr wahrzunehmen wären. Der ORF hat daher seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag dadurch zu erfüllen, dass er in den Programmen nach § 3 Abs 1 Z 2 ORF-G alle Programmziele im Auge behält; es ist ihm nach § 4 Abs 1 letzter Satz ORF-G untersagt, in der Gestaltung seiner Programme ORFeins und ORF 2 die auf Spartensender ausgelagerten Aufgaben vollständig unberücksichtigt zu lassen.“

Dass die einzelnen Kategorien lediglich in einem den Kernauftrag iSd § 4 Abs. 1 ORF-G unterschreitenden Ausmaß vertreten gewesen wären, war nach Ansicht des VwGH nicht Gegenstand des Verfahrens und wurde auch von KommAustria und BKS nicht festgestellt; auch die Beschwerde des VÖP wurde daher abgewiesen. Aufgrund der Ausführungen in der Begründung steht aber fest, dass auch für die einzelnen Programme bestimmte quantitative Mindestanforderungen gelten.

Markus Breitenecker, stv. Vorstandsvorsitzender des VÖP und Geschäftsführer von PULS 4: „Mit dieser Entscheidung des VwGH wurden wir in unserer Beschwerde gegen das TV-Programm des ORF nun auch in letzter Instanz bestätigt. Das ist gut und wichtig, denn diese Beschwerde war wohl überlegt und begründet. Im europäischen Vergleich wird klar, dass das Programm des ORF vor allem im Hauptabend zu kommerziell ausgerichtet ist. Dadurch wird die Schieflage zwischen ORF und privatem Rundfunk verstärkt. Doch spätestens jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem der ORF gut beraten wäre, seine Programmstrategie zu überdenken. Staatliche Beihilfen für den öffentlich-rechtlichen Anbieter sind jedenfalls nur dann gerechtfertigt, wenn dieser seinen Programmauftrag vollinhaltlich erfüllt.“

Corinna Drumm, Geschäftsführerin des VÖP: „Als Interessenvertretung des privaten Rundfunks in Österreich übernimmt der VÖP unter anderem auch die Funktion eines ‚Watchdogs‘ im Hinblick auf die Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen durch den Mitbewerber ORF. Die Entscheidung des VwGH zeigt, wie wichtig dieses Monitoring ist. Selbstverständlich werden wir auch in Zukunft auf die Einhaltung der Spielregeln achten. Denn ein duales Rundfunksystem braucht faire Rahmenbedingungen, die auch eingehalten werden müssen.“

> Link: Entscheidung und Pressemitteilung des VwGH

(Weitere Pressemitteilungen des VÖP zu diesem Thema am 30.09.2011, 05.10.2012 und 24.03.2013.)